Eisklettern mal anders:
Nachtbegehung des Eisfalls „Monsterline“
Es ist Freitag Nachmittag, das Telefon läutet. Albert Neuner, mein Kletterpartner für ausgewählte Bergfahrten ist dran. „Servus Benni, gehen wir morgen Eisklettern?“ Ich, „Leider nein geht nicht. Habe einen Eiskletterkurs im Pitztal.“ Albert denkt kurz nach und meint: „Dann gehen wir eben heute nach Arbeitsschluss Eisklettern!“ „Okay passt und wohin?“ „Pitztal, dann schauen wir weiter.“Um 16 Uhr 15 starten wir von Telfs und in gemütlicher Fahrt geht’s ins Pitztal. Wir haben keine besondere Eile, denn dunkel wird es so oder so. Mein Vorschlag, den Pitztaler „Stuibenfall“ zu klettern traf bei Albert nicht auf besondere Gegenliebe. Sein Kommentar: „Der hat ja nur eine 5er Länge!“ Mein nächster Vorschlag, den schwierigen Megaklassiker im Eisklettern – „Monsterline“ – zu versuchen, war dann schon besser. An den leuchtenden Augen von Albert konnte ich erkennen – das war angemessen.
Um ca. 17 Uhr 45 starteten wir zum Einstieg der Eiskletterroute. Albert düste wie gewohnt in einem Tempo nach oben, wo ich trotz meines jugendlichen Alters nicht mithalten konnte. Sei wie es sei, er muss ja oben trotzdem warten, denke ich und stapfe zügig weiter. Schnell haben wir die notwendige Ausrüstung adjustiert und in angemessenem Tempo ging´s über die erste steile Länge nach oben. Ein Tibloc nach 60m verhinderte einen unnötigen Stand und mit einer 120m Seillänge zog Albert Richtung Hauptfall. Er spazierte bereits im leichteren Gelände, derweilen mühte ich mich ab so schnell als möglich die erste Seillänge hinter mich zu bringen. Auf 10 m war man trotz der fortgeschrittenen Stunde voll in einer Dusche und im Lichtschein der Lampe hatten die Eisgebilde in Verbindung mit Spritzwasser etwas Mystisches.
Die nächsten 200 Höhenmeter ging es die steile, teilweise eisdurchsetzte Rinne nach oben bis sich endlich der Hauptfall über unseren Köpfen senkrecht aufbäumte. Die bedrohlichen Zapfen über uns schauten im Lichtschein noch viel wilder aus und die absolute Dunkelheit in dieser einzigartigen Umgebung gab dem Ganzen eine besondere Würze.
Das Bouldertraining am Vortag in der Telfer Kletterhalle ließ mir die folgende Seillänge ganz schön pumpig erscheinen und ich war froh, nach 35 m den gemütlichen Standplatz in einer Nische unter riesigen Eiszapfen zu beziehen. Jetzt war Albert wieder an der Reihe die Schlüsselseillänge hinter sich zu bringen. Stetig ging das Seil nach oben und Albert meinte, ganz einfach ist es nicht mehr. Im Labyrinth der Eiszapfen – mit nur einem kleinen Lichtkegel der Stirnlampe – war die Orientierung schon recht schwierig und die Steilheit erfordert die ganze Palette an Technik und Kraft des Eiskletterers. Die Krone in dieser Länge war aber ein 3m- Quergang in einer eiskalten Dusche. Das Eis war vom „wärmeren Wasser“ teilweise derart aufgeweicht, dass an manchen Stellen der ganze Schuh bzw. das gesamte Eisgerät im morschen Eis verschwand . Trotzdem, dass Albert schnell unterwegs war, wurde es am Stand recht kalt und ungemütlich, aber meine Daunenweste leistete guten Dienst.
Teilweise schaltete ich am Stand die Stirnlampe aus, um Batterie zu sparen, aber so richtig wohl fühlte ich mich dabei nicht in die absolute Dunkelheit zu starren, vermutlich deswegen, weil ich wusste wo ich mich gerade befand. Endlich gab Albert Signal zum Nachkommen und so schnell als möglich kletterte ich die sehr steile Seillänge mit Duschquergang nach oben. Das Spritzwasser fror relativ schnell auf meiner Jacke an und ließ mein Gesamtgewicht noch etwas ansteigen.
Gott sei Dank, die letzte Seillänge zum Ausstieg war dann nur mehr Formsache und ich machte Stand im Latschengürtel. Die Spannung ließ etwas nach, aber immer noch stand ein nicht ungefährlicher Abstieg vor uns. Abseilen über die grausligen Zapfen in der Dunkelheit erschien uns nicht zielführend.
Zuerst ging es in einem wilden Kampf durch ein schneedurchsetztes Latschenfeld nach links zu einer Rinne. In dieser war wieder volle Aufmerksamkeit gefragt, da unter dem grundlosen Pulverschnee sich immer wieder heimtückische Eis- und Felsplatten verborgen hielten.
Nach einer weiteren Stunde standen wir wieder wohlbehalten am Einstieg der Eisklettertour und in weiteren 15 Minuten erreichten wir unser Auto. Mittlerweile war es 22 Uhr 30 und ein leichtes Hungergefühl machte sich bemerkbar. Bei einer köstlichen Pizza und zwei Bierchen im Gasthof Wiesle neben der Kitzgartenschlucht nahm unser Abenteuer einen genialen Ausklang. Leider sind die Nach(k)tfotos von mittelmäßiger Qualität, aber die wahren Abenteuer sind im Kopf und im Herzen.
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